Yannick Hanfmann im Interview mit Astrid Wagner

Vom College in die Top 100 der Welt

Yannick, im Sommer schlägst du wieder für den fläsh TC Weinheim 1902 in der 1. Tennis Point Bundesliga auf. Zwischenzeitlich hattest du den Sprung in die Top 100 geschafft und dich somit auch für die US Open direkt für das Hauptfeld qualifiziert. Dann setzte dich deine Armverletzung mehr als sechs Monate außer Gefecht. Deshalb zunächst einmal die Frage: Wie geht es dir? Wann sehen wir dich wieder auf dem Platz?

Mir geht’s sehr gut! Natürlich ist es seit Saisonbeginn schon etwas nervig gewesen, alle meine Kollegen bei Turnieren zu sehen und das aus der Ferne mit zu verfolgen. Aber es ist mit Sicherheit auch eine wichtige Phase in meiner Karriere, da in unserem Sport Verletzungen leider einfach dazugehören. Wichtig wird es sein, die richtigen Lehren zu ziehen, um in Zukunft weitere solcher längeren Pausen zu vermeiden. Ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg und versuche mich für die nächsten Jahre gut vorzubereiten. Ich freue mich schon so sehr, endlich wieder Wettkampfluft zu schnuppern!

Mit dabei im Team 2019 sind auch wieder deine Freunde Frank Wintermantel und Moritz Baumann von WiBaSports, die deutschen Nachwuchsspieler  helfen, ihren Traum an einem College in den USA zu verwirklichen. Auch du warst bis 2015 auf einem College. Wie kam es dazu?

Yannick: Ich bin in der 11. Klasse gewesen als ich das erste Mal auf Collegetennis aufmerksam geworden bin. Ernsthaft Gedanken darüber habe ich mir in der Jahrgangstufe 12 gemacht, als es darum ging zu entscheiden, wie es nach dem Abitur – sowohl bezüglich Tennis als auch in Bezug auf Ausbildung – weitergehen sollte. Zu jener Zeit waren bereits einige meiner Freunde an einer Uni in den Vereinigten Staaten. Die haben mir natürlich von ihren Erfahrungen und Eindrücken berichtet. Auch Moritz war einer davon. Er schloss ja im Sommer 2011 sein Studium in Madison/Wisconsin ab, und ich startete in Los Angeles Ende August. Dazwischen lag die gemeinsame Saison mit dem Bundesliga-Team in Weinheim, in der wir natürlich viel über Collegetennis gesprochen haben, klar.

Wie kam es, dass aus einer ersten Idee ein konkretes Ziel wurde?

Yannick: Damals entschied ich zusammen mit meinem Umfeld, dass es für mich zu früh ist, den direkten Weg als Profi einzuschlagen. Ich habe zwar damals schon gewusst, dass es mein großes Ziel ist, mein Hobby zum Beruf zu machen, hatte aber das Gefühl, dass die „Zwischenstation“ Collegetennis für mich das Richtige ist. Zudem konnte ich mich mit vielen Freunden austauschen, wie es in den USA abläuft und welch professionelle Bedingungen dort vorhanden sind. Die Entscheidung traf ich im Endeffekt mit meinen Eltern gemeinsam und meinem Heimtrainer, wobei ich selber erst eher Richtung Profi tendierte, sich jedoch zum Glück meine Eltern und Trainer durchsetzen konnten… Manchmal weiß man wohl als 18jähriger doch nicht immer alles besser als die Eltern.

Wann fiel die Entscheidung für “dein” College?

Yannick: Schließlich habe ich mit meinem Vater eine Reise durch die USA geplant, um mir die ein oder andere Uni einmal persönlich anzuschauen. Ich hatte das Glück, dass aufgrund meiner deutschen Herren-Ranglistenposition von 46 schon viele Coaches auf mich aufmerksam geworden sind. Wir machten uns auf nach Chicago zu Verwandten und machten von dort einen Roadtrip zur Ohio State University, von dort flogen wir dann nach Los Angeles, um uns die beiden Unis UCLA und USC anzuschauen.

Direkt nach der USA-Reise habe ich mich für die University of Southern California in Los Angeles (USC) entschieden. Sie machte den besten Eindruck auf mich, dort bekam ich ein tolles Gefühl von den Coaches und den Spielern, die ich kennenlernen durfte. Ich war der Überzeugung, dort die besten Trainer und Mitspieler zu haben, aber mit USC auch eine akademisch anspruchsvolle Uni gefunden zu haben. Diese Gefühl wurde dann in einem letzten sogenannten „official visit“ bestärkt als ich noch einmal für ein paar Tage rüber flog und das Rivalen-Match gegen UCLA miterleben durfte. Zu dem Zeitpunkt konnte ich es nicht mehr erwarten, endlich anzufangen.

Wie ging es nach der Entscheidung weiter?

Yannick: Nun, ich musste mich nun um den ganzen „Papierkram“ im Vorfeld kümmern. Das war zeitweise ziemlich anstrengend, weil ich parallel ja noch in der Schule war und mein Abitur vor der Tür stand. Zum Glück hat alles geklappt. Sicherlich war es von Vorteil, dass mein Vater sich gut damit auskannte, da er selbst einst in den USA studierte. Dies war auch der Grund, dass ich frühzeitig schon die notwendigen Tests – Toefl und SAT – gemacht hatte und somit diese Voraussetzungen bereits abhaken konnte.

Du hattest erwähnt, dass es dir geholfen hat, dass dein Vater bereits in den USA studierte. Diesen Vorteil hat leider nicht jeder. Ebenso wie eine Deutsche Herrenrangliste unter den besten 50…

Yannick: Ja dafür ist eine Unterstützung, wie Moritz und Frank sie geben, sicher sinnvoll. Moritz und Frank kennen sich bestens im Tennis aus. Zudem hat Moritz in den USA zu den besten Spielern gezählt, stand sogar Nummer 1 im Doppel. Beide haben daher beste Kontakte zu Trainern und Unis. Frank wiederum weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, sich sogar als Top-Junior, der in der Jugend zu den Besten weltweit zählte, auf der Future-Tour direkt zu behaupten. Daher bringen die beiden jede Menge an positiven und auch negativen Erfahrungen mit.

Außerdem sehen sie das Ganze aus der Sicht des Athleten und können sich gut in die Haut eines solchen hinein versetzen, das ist auch wichtig. Darüber hinaus spielen wir in Weinheim ja auch jedes Jahr mit einigen ehemaligen College-Spielern und der Austausch untereinander ist insofern für Frank und Moritz sehr nützlich, da die beiden dadurch ihr Netzwerk extrem erweitert haben in den letzten Jahren.

Teil 2: Yannick Hanfmann im Interview

Erinnerst du dich noch zurück an den Start in dein neues Leben?

Yannick: Ja, daran erinnere ich mich als wäre es heute gewesen. Ich war ganz schön aufgeregt, als ich in mein neues Leben aufgebrochen bin. Die ersten Wochen waren wirklich intensiv. Es gab sehr viel zu organisieren. Aber ich hatte Glück, dass USC eine top Uni ist. Auch in Los Angeles habe ich mich gleich wohlgefühlt. So eine tolle Stadt, mit so vielen Dingen, die man unternehmen oder sich ansehen kann. Es wurde mir nie langweilig dort. Alles zu schildern, was ich dort anfangs und überhaupt in meinen vier Jahren dort erlebt habe, würde den Rahmen sprengen.

Was macht das Modell des Collegesports aus deiner Sicht so erfolgreich?

Yannick:  Der Stellenwert von Sport an einer US-Uni ist Wahnsinn. Als “student athlete” gibst du alles für dein Team, deine Uni. Man identifiziert sich einfach damit. Wir haben uns fast alle anderen Sportarten angeschaut und unsere Kollegen angefeuert. Dieser Zusammenhalt ist unbeschreiblich. Es macht unglaublich großen Spaß, ein Teil dieses Ganzen zu sein. Aber das Ganze natürlich immer, ohne die Uni zu vernachlässigen. Es ermöglicht einem einfach, sich als Sportler weiterzuentwickeln, aber trotzdem nach vier Jahren einen Bachelor Abschluss in der Tasche zu haben. Durch die Spiele, die hauptsächlich am Wochenende stattfinden, lässt sich das Training außerdem sehr gut planen und strukturieren, was gerade im Alter zwischen 18 und 23 extrem wichtig ist, um auch physisch für die „Tour“ bereit zu sein.

Das klingt so, als wäre dir der Abschied nicht leichtgefallen?

Yannick: Das ist richtig. Ich träume noch heute von der tollen Zeit dort. Ich habe auch viele internationale Freundschaften geschlossen. Aber dennoch habe ich mich natürlich dann auch gefreut, als Einzelkämpfer auf die Tour zu gehen. Hin und wieder ist es aber dann schon schön im Team Ziele zu verfolgen, deshalb macht ja nicht nur mir dann auch die Bundesliga sehr viel Spaß. Vor allem, weil ich mit vielen im Team mittlerweile jahrelange freundschaftliche Verbindungen habe und wir uns im Rahmen der Bundesliga dann immer wieder sehen, was sonst auch nicht so einfach ist. Der Sieg in Aachen im letzten Jahr zum Beispiel gab mir auch Selbstvertrauen, was sich dann in der Woche direkt danach beim ATP-Challenger in Braunschweig direkt in einem Turniersieg niederschlug.

Du kannst ein College-Stipendium also uneingeschränkt weiterempfehlen?

Yannick: Ja, das kann ich. Es ist eine tolle Erfahrung, es bringt dich sportlich und menschlich weiter. Du hast einen anerkannten Studienabschluss, lernst fließend englisch, wirst selbständig und lernst tolle Menschen kennen. Sicher hat man auch ab und an Heimweh und muss sich durchbeißen, insbesondere zu Beginn. Aber das gehört einfach dazu. Insgesamt bin ich in den USA auch persönlich extrem gewachsen und im Nachhinein unheimlich dankbar dafür, die Chance bekommen zu haben. Irgendwo hat sich zusätzlich das Ganze neben dem Platz auch sehr positiv auf mein Tennis ausgewirkt, weil ich einfach als Person reifer geworden bin. Das ist, denke ich, ein Teil, den viele Leute unterschätzen, gerade in einer Einzelsportart wie Tennis mit den vielen damit verbundenen Reisen.

Nach deiner Zeit hast du in der Tennis Base in Oberhaching weiter hart an dir gearbeitet und dich letztlich im Juli mit dem Sprung unter die Top 100 „belohnt“?

Ja, direkt nach meiner Collegezeit war ich in Kontakt mit Lars Uebel und begann in München zu trainieren. Über die Futures und zum Glück relativ bald auch Challengers und ATP-Turniere habe ich mich immer weiter vorgearbeitet. Zur Zeit besteht mein Team immer noch aus Lars Uebel und Jonathan Januschke als Fitnesstrainer, dazu gekommen ist Lukas Wolff. Ich bin mittlerweile in Oberhaching zuhause und trainiere in der Tennisbase Oberhaching seit rund drei Jahren. Das Ziel top 100 habe ich erreicht durch meinen Run beim Challenger in Braunschweig, wodurch ich kurioserweise an 99 stand für eine Woche. Natüßrlich genügt mir das nicht, ich will weiter vorne angreifen und mich unter den Top 100 etablieren.

Sehen wir dich in diesem Jahr öfter in der Bundesliga für den fläsh TC 02 Weinheim?

Yannick: Ich hoffe ja. Ich habe in den letzten beiden Jahren gerade in der Zeit der Bundesliga sehr gut bei den Turnieren gespielt. Leider konnte ich vor allem in der letzten Saison deshalb nur einmal spielen. Die Jungs haben das aber auch ohne mich unglaublich gemacht. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr häufiger spielen kann und es besser in den Turnerplan passt. Frank und ich stimmen uns immer einige Wochen vor Beginn der Bundesliga ab und schauen, dass es für das Team und mich selbst gut passt.

Das Team besteht aus einer Vielzahl aus Collegespielern. Aus deiner Sicht ein Teil des Erfolges?

Frank, hat vor Jahren angefangen, den Schwerpunkt auf ehemalige oder damals aktuelle Collegespieler zu setzen. Die Jungs haben sich danach immer sofort integriert und sich total reingehängt, weil Sie wissen, was es bedeutet, individuell alles zu geben, um im Team Großes zu leisten. Somit konnte der TC02 in den vergangenen Jahren den Schritt aus der Regionalliga bis in die 1. Tennis-Point Bundesliga gehen, ohne den Stamm des Teams großartig zu ändern. Das ist eben im Sport nicht anders als im späteren Beruf. Jeder muss persönlich seine Leistung abrufen, aber nur im Team kann man Ziele erreichen. Auch das lernt man eben in den USA, auch als Einzelsportler.

Danke, Yannick, für das informative Gespräch. Wir wünschen dir eine erfolgreiche und verletzungsfreie Saison und freuen uns auf ein Wiedersehen auf der Anlage des TC Weinheim 1902 im Sommer. aw

Das Interview wurde zu Beginn der Bundesliga-Saison 2019 geführt.

Yannick Hanfmann im Interview